Das “alltägliche” Trauma.

Das alltägliche (trans-generationale) Trauma.

PTSD – Post Traumatic Stress Disorder/ Syndrome, ist ein Begriff, der in den USA vor allem im Zusammenhang mit Kriegsveteranen größere Bekanntheit gefunden hat und heute viele Diskussionen über das Thema Trauma begleitet. PTSD macht es leicht zu verstehen, dass es für Menschen „nicht bewältigbare“ Situationen gibt. Der Krieg macht es für die Gesellschaft drum herum bildlich vorstellbar, dass jemand in innerlich unauflösbare Konflikte gerät. Gefühle, Gedanken, Einstellungen und soziale Verbindung sind oft so “verkeilt”, dass man nicht mehr adäquat an der aktuellen Situation teilnehmen kann und jede Situation überfordernd wirkt. Dies führt zu weiteren ungewünschten Reaktionen und man steckt in inneren und äußeren Negativkreisläufen fest. Das ist ein Alptraum. Eben Trauma.

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Wenn ich mir diese Symptome der Soldaten in dem angehängten Artikel anschaue, dann sehe ich auch fast überall Symptome und Verhaltensweisen, die ich bei meinen Klienten ebenso sehe – allesamt keine Menschen, die sich in Kriegsgebieten aufhielten. Sondern hier in Europa. Keine derart offensichtlich traumatisierenden Erlebnisse sind in deren Leben zu finden – auf den ersten Blick.

Wie kann das sein?

Meiner Erfahrung nach liegt der Zusammenhang darin, dass Menschen überall auf der Welt in Situationen oder bestimmten Gefühlslagen landen können, die auf bestimmte Weise ebenso wenig „bewältigbar“ sind wie für den Soldaten der Tod eines Kameraden oder z.B. der Horror unter Beschuss zu geraten.
Es liegt lediglich an unserer oft vorurteilsbelegten Sichtweise, dass wir uns hier in Europa die ganze Zeit selbst zuraunen „Was ist los mit Dir? Stell Dich mal nicht so an. Du hast doch eine gute Kindheit gehabt!“

Inzwischen sehe ich aber immer mehr in meiner Arbeit, dass ein Mensch, der über lange Zeiträume z.B. feststeckt oder dauernd wütend ist, traurig, leer, entfremdet, verwirrt, panisch, unfrei oder sonst wie immer wieder das Gleiche erlebt in gleichem Maße traumatisiert sein kann, auch wenn das bei uns noch evtl auf einem Niveau passiert dass wir weiter “funktionieren” können. Dabei kann innerlich eine ähnliche gefühlte Ausweglosigkeit, Hilflosigkeit, Versagen herrschen. Auch das ist Trauma.

Das ist es womit viele von uns zu tun haben und  manchmal hilflos vor der Frage stehen: “wie kann ich das Leben nur meistern?” Da wir Betroffenen dieses innere „Misslingen“ vor uns und anderen Verbergen verschlimmert sich das Ganze dann noch über die Jahre.

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Heute weiß ich, dass uns in vielen Situationen bestimmte wertvolle Informationen, aber auch eine bestimmte Art der Aufmerksamkeit und auch manchmal das richtige Umfeld fehlen, um diese Situationen eigentlich wirklich zu bewältigen.

Wir verbleiben als Konsequenz oft auf einer Stufe des „Überlebens“ stecken, wo wir alles im Leben “gerade so hinbekommen”, aber das Gefühl verloren geht oder nie entdeckt wird, dass unser Leben ein Geschenk, ein Abenteuer oder ein geniale Herausforderung ist, es uns also nicht gelingt zu der Ebene des „guten Lebens“ durchzustoßen. Das gesellschaftliche “Komm klar!” hilft fast nie.*

Unserer Kultur fehlt es, auch im engeren sozialen Rahmen, oft an Wissen oder Weisheit sich mit dem „guten Leben“ zu beschäftigen und sich dessen Herausforderungen bewusst und mit Aufmerksamkeit zu stellen. Familienmitglieder sind dadurch schlicht damit überordert mit Trauma umzugehen.

Alleine diese fehlende Grundeinstellung in der Gesellschaft schafft für viele Menschen eine geradezu „gesamtgesellschaftliche, traumatische Grundatmosphäre“. Zum Glück ändert sich das aber heute auch an vielen Stellen und es werden überall mehr “Türen geöffnet” heute mit seinem eigenen Trauma zu arbeiten.

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Was wollen wir eigentlich und was bekommen wir nicht wenn wir traumatisiert sind?

Oft liegen die Probleme zunächst in einem engeren familiären Rahmen. Hier werden oft die Wurzeln für Traumata gelegt. Meine Beobachtung nach wünschen sich viele Menschen eine tiefe menschliche Verbindung zu Freunden, Familie etc und erleben hier manchmal schon früh Distanz und Desinteresse oder aber auch überbordende Sorge, Kontrollsucht, Suchtverhalten, Aggressionen oder Depression etc. – oft, weil andere Familienmitglieder ebenfalls stark traunmatisiert sind und keine wirkliche Bindung eingehen können. Je nachdem wie Menschen gestrickt sind, ist dieser dauernde, schwelende innere Konflikt der fehlenden Verbindung zu nahestehenden Personen eine Form des Traumas und sind für die Betroffenen eine Qual, die das gesamte Lebensgefühl erfassen kann.

Hier sind noch ein paar Gründe für (trans-generationale) Traumatisierung, so wie ich sie heute kenne.

Emotionale Kälte, Demütigung
Ignoranz, Unterforderung
Höflichkeit, fehlende Körperlichkeit
Lügen, ekelhaftes Verhalten
Gewalterfahrungen, Dominanz & Schwäche
Unfälle, Bankrott, Tod, Kriege
Traumatisierte Familienstrukturen (Flüchtende, Armut, Familiengeschichte, Scheidung, Suchterkrankungen)
Asoziale Gesellschaftsstrukturen (USA, China, Russland, Deutschland, jedes Land in seiner eigenen Mischung)
Dogmatische Sexualvorstellungen (Religion, Provinzialität)
Moral und Political Correctness (Einseitige, oft negative Vorstellungen von eine Reihe von entwicklungsrelevanten Themen wie “positive” Gewalt, Wut, Wildheit, Lust, Kontrolle, Kraft…diese Liste könnte endlos fortgesetzt werden bis hin zu Themen wie Spiritualität etc.)
Überzogenes Sicherheitsdenken in der Familie und der Kultur (Übermutterung, Reinlichkeitswahn, Beamtenmentalität, Helikopter-Elternschaft, “Angst-mein-Kind-zu Traumatisieren” etc.)

Der innere Knoten.
Viele Dinge beeinflussen uns, ohne dass wir uns dessen bewusst sind oder ohne jemals eine bewusste Entscheidung darüber gefällt zu haben. Und ebenso unbewusst können sich verschiedenste Einzelaspekte zu einem unentwirrbaren inneren Knoten verknüpfen. Und je mehr ich daran ziehe, je mehr ich innerlich auf mich einrede, desto fester zieht sich dieser Knoten. Und so lande ich in meiner eigenen, ganz persönlichen „unbewältigbaren Situation“. Ich weiß nicht, ob man dazu immer Trauma sagen sollte, aber ich denke es passt schon sehr gut.

An dieser Stelle hilft Körperarbeit sich über einzelne Aspekte bewusst zu werden und körperliche Blockaden, die aus den obigen Zusammenhängen entstehen langsam wieder aufzulösen. Sitzung für Sitzung kann man sich einzelnen Aspekten nähern und wieder mehr Freiheit und Wohlbefinden lernen auf dem Weg sein eigenes Leben zu leben.

*Zyniker würden sagen, das ist die beste Form große Gruppen zu kontrollieren.