Die Innere Welt – und das ewige Geplapper.

Wo sind wir, wenn wir nicht “in unserem Körper sind”?

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Mit meiner Arbeit vertrete ich ja den Anspruch, dass sich Dinge im Leben nachhaltig verändern lassen, wenn wir es schaffen mehr Körper zu sein. Da kann man sagen: “Ja, ok, verstehe ich, gute Idee, aber wo sind wir denn, wenn wir nicht “in unserem Körper sind”?
Die Antwort lässt sich meiner Meinung nach recht gut zusammenfassen:
Im Kopf – Irgendwo in unserer inneren Welt.

Und dann kann man sich die Frage stellen: “Aber wie kommt das? Warum? Und warum ist das so ein Nachteil bzw. tatsächlich ungesund?”

Ich habe hier einen aktuellen Blog-Beitrag zu dem Thema angefügt, indem ich versuche meine Erfahrung mit dem Thema zu beschreiben.

Die meisten Menschen lernen nach meiner Erfahrung früh, verschiedenste körperliche Erfahrungen zu vermeiden, z.B. Angst & Schmerz auf einer eher generellen Ebene. Aber auch ein einfaches Kribbeln, Hitze, Kälte, Schweiß, unbekannte Bewegungen, Passivität, Wut, Liebe, Stärke, Gewalt oder sogar Stille.
Je nach Erziehung, dem persönlichen Kulturkreis oder aber auch durch traumatische Erfahrungen, werden die körperlichen Wahrnehmungen unterschiedlich bewertet und auf eine individuelle oder auch kollektive Weise sanktioniert. Vieles am Körper und an sich selbst wird als beschämend, schwach, zu groß, zu klein, zu gefährlich, zu intensiv oder überhaupt irgendwie unangemessen zu bewertet.
Wir beginnen daher schon früh in unserer Entwicklung automatische (abwehrende oder unterdrückende) Reaktionen auf unsere körperlichen Empfindungen und bestimmte intensive Erfahrungen mit unserer Umwelt zu entwickeln.  Wir lernen, mal bewusst und mal unbewusst, unterschiedliche körperliche Empfindungen und Wahrnhemungen zu meiden, zu kommentieren, zu ignorieren etc.  Mit der Konsequenz schließlich – vielleicht unter Ermangelung besserer Optionen – “in unserem Kopf zu verschwinden“.
Von diesem Ort “da oben” im Kopf aus schauen wir auf uns und die Welt. Wir kommentieren, wir haben Meinungen, geben uns selbst und Anderen (stumme) Anweisungen und plappern allzu oft irgendwo mit uns selbst.
Das Plappern und Reden in unserem Kopf wird und wurde dabei schon früh in unserem Leben zu einer Fiktion unseres Selbst. Wir verwechseln unser Reden mit uns Selbst. Viele Menschen sind dort schon sehr lange – ganze Generationen geben sich mit dieser unglücklichen Eigenschaft die “Klinke in die Hand”. Ganze Kulturen basieren in einem gewissen Grad die Fähigkeiten des Kopfes bzw. des Verstandes zu betonen und entsprechend zu belohnen. Diese Kulturen basieren geradezu darauf den Körper und seine spezifische Intelligenz und Empfindsamkeit eher zu limitieren und zu züchtigen, denn seine über Millionen Jahre entwickelten Eigenschaften zur Blüte zu bringen.

Viel dieses inneren Geredes scheint eine Art Überschuss unserer Verstandes- und Geistesleistungen zu sein, wodurch wir einfach immer weiterquasseln. Meiner Meinung nach spielen aber auch viele unbewältigte Erfahrungen, körperliche Schmerzen und eben jenes spezielle “kulturelle Training” eine große Rolle dabei, dass wir ohne Unterlass diese innere Stimme produzieren und kaum fähig sind einfach nur wahrzunehmen.

Wir werden durch unsere Umgebung trainiert darauf “Köpfe zu sein”, vollgestopft mit unterschiedlichsten Ideen, die – nie selbst überprüft – zu gigantischen Brillen der Realitätswahrnehmung werden und die Ganzheitlichkeit der  körperlichen Erfahrung limitieren. Und uns letztlich den freien Blick auf die uns umgebende Realität versperren.

Früh beginnen wir also mit uns selbst zu reden, mehr und mehr Ideen über uns selbst, die “Anderen” und die Welt insgesamt zu entwickeln. Und während unser Kopf immer mehr redet, wird unsere Welt immer kleiner. Unsere Vorstellungen und Selbstbilder dominieren uns und wir fürchten uns mehr und mehr sie wieder zu verlassen. Wir limitieren dadurch jedoch nicht nur unsere Möglichkeiten uns frei durch unser Leben zu bewegen. Wir tendieren vielleicht auch dazu die Ziele und Wünsche Anderer zu leben, statt zu spüren was unsere eigenen Wünsche sind und sie mit ganzer Kraft zu erschließen. Wenn wir in unserem Kopf sind, und nicht auf den Körper zurückgreifen können, sind wir leichter manipulierbar, weil wir uns kaum trauen zu spüren, was für uns selbst wahr ist. Denn jedesmal, wenn ich wir uns auf diese eigene Wahrheit zubewegen, kommt plötzlich eine Flut von bisher zurückgehaltenen, ignorierten Wahrnehmungen, Emotionen und inneren Wahrheiten, so dass Viele versuchen die ganze Sache erst recht zu meiden.

“Im Körper zu sein” bedeutet für mich daher, diese innere Realität wahrzunehmen und in das Gesamtbild meiner Realität einzubeziehen.Körperarbeit ist ein andere Art des mentalen, psychischen und eventuell auch spirituellen “Workouts” die darauf abzielt die eigene Wahrheit immer wieder neu zu erfassen und langfristige mehr mentale Resilienz zu entwickeln.

In gewisser Weise beudetet Körperarbeit ein “realistischeres Bild” meines individuellen IST-Zustands wahrzunehmen und dadurch entsprechend eine reale (Widerstand-)kraft und Freiheit zu entwickeln. Nicht die Frage: “was muss ich oder kann ich?”, sondern die Frage “wie fühlt es sich an?” und “will ich das?” steht plötzlich im Vordergrund. Oder die Empfindung: “Oh, das ist toll, aber mir schlottern die Knie.” Wenn heute in den Medien von Resilienz (übersetzbar mit Stressresistenz und Widerstandkraft) die Rede ist, dann ist diese meiner Meinung nach in unserem Körper, eben unserer eigenen Kraft, in unserem eigenen Empfinden, unseren ureigensten Werten und schließlich in unserer Fähigkeit zu finden, wirklich wir selbst zu sein.

Mit allem was dazu gehört: der Körper als eigentlicher Ort der Erfahrung ist die Basis, um letztlich ein Leben mit aller Kraft und mit seinem ganzen Reichtum zu erleben!? Zu diesem Leben gehört nun einmal realistisch gesehen das Erleben von Schmerz, von Niederlagen, von Irrtümern, von Angst, von Unsicherheit genauso wie das Erleben von Genuss, von Liebe, von Schönheit, von Entgrenzung, von LeerSein, von Stille.

Bei dieser ganzen “Kopfsache” geht es schließlich auch um die Frage:
will ich am Leben teilnehmen oder nur distanzierter Zuschauer sein, der alles kommentiert? 🙂